16.12.08

Neonazis

München/Berlin/Hamburg - Das Wort von einer neuen Dimension der Gewalt macht die Runde. Bisher hatten Rechtsextreme meist am Rande ihrer Aufmärsche geschlagen, getreten, gedroht. Der Angriff auf Passaus Polizeichef Alois Mannichl aber war eine gezielte Attacke - ausgeführt von einem mutmaßlichen Neonazi. Sagt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU).

So sieht es auch die Bundesregierung. Eine "neue Qualität" rechtsextremer Gewalt diagnostizierte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm, zugleich eine "unglaubliche Direktheit" des Mordversuchs.

Mannichl ist Feindbild der bayerischen Neonazi-Szene. Weil er mit Härte gegen die braunen Trupps vorging, wurde etwa auf den Internet-Seiten der Passauer NPD immer wieder gegen ihn gehetzt.

Nun verurteilt die NPD in einem Schreiben von Parteichef Udo Voigt den Anschlag auf Mannichl. Allerdings mit der Bemerkung, dass der Passauer Polizeichef "sein Amt wiederholt missbraucht" und die "nationale Opposition verfolgt" habe. In rechtsextremen Internet-Blogs regiert die Häme: "Der Krug geht so lange zu Wasser bis er bricht", heißt es in einem Eintrag.

Bundesweit attackieren Neonazis ihre Kritiker

Ein prominenter Polizist als Opfer - das ist die neue Dimension. Bisher habe die Gefahr bestanden, dass man während eines Einsatzes einen Stein abbekomme oder attackiert werde, sagte Günther Beckstein, von 1993 bis 2007 Bayerns Innenminister, zu SPIEGEL ONLINE. Nun aber "der unmittelbare Angriff in der Privatsphäre, das ist neu". Polizisten müssten nun noch stärker auf Eigensicherung achten, rät Beckstein.

Die rechtsextreme Szene habe sich deutlich verändert: Einst seien "die alten Nazis" tonangebend gewesen, dann die jungen Kameradschaften, schließlich eine "neue Rechte, die sich intellektuell gab". Aktuell habe man es wiederum mit einem kleineren rechtsextremen Personenkreis zu tun, "aber die Gewaltbereitschaft nimmt zu".

"Die Polizei ist ins Visier rechter Gewalttäter geraten", sagt auch Konrad Freiberg, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), zu SPIEGEL ONLINE. Beamte, die im rechten Milieu ermitteln, würden per Telefon bedroht und persönlich belästigt.

Gezielte Angriffe, Drohungen, Verunglimpfungen von Rechtsaußen: Bundesweit attackieren Neonazis ihre Kritiker. SPIEGEL ONLINE stellt vier Beispiele vor.

Fall 1: Der Polizeidirektor Wie Alois Mannichl in Passau ist Michael Knape in Berlin bekannt für seinen Kampf gegen Rechte. Dann schlugen sie zurück: Nachts terrorisierten sie ihn mit Anrufen. mehr...

Fall 2: Die Journalistin Andrea Röpke wurde laut Berliner "tageszeitung" an ihrer Haustür bedroht: Ihre Nichte öffnete die Tür, vor der ein Neonazi im dunklem Outfit stand. mehr...

Fall 3: Der Richter Nachdem ein Kieler Richter ein NPD-Mitglied zu einer Geldstrafe verurteilt hatte, veröffentlichten Neonazis seine Adresse im Internet. mehr...

Fall 4: Der Gewerkschafter Küchenschaben im Briefkasten, Patronenhülsen im Vorgarten: Der Gewerkschafter Rainer Sauer wird seit über einem Jahr regelmäßig von Neonazis bedroht. mehr...

Burkhard Freier, stellvertretender Leiter des Verfassungsschutzes in Nordrhein-Westfalen kennt einige Fälle wie den des Gewerkschafters Rainer Sauer. "Dass Rechtsextremisten verbal - hauptsächlich über das Internet - ihre vermeintlichen politischen Gegner attackieren, ist ein Phänomen, das wir schon in der Vergangenheit beobachtet haben", so Freier zu SPIEGEL Allerdings seien Rechtsextreme heute anders organisiert, sagt der Experte. "Durch das Internet haben Rechtsextreme ganz neue Möglichkeiten, Druck auszuüben". Neonazis versuchten, mit Verbalattacken, präzisen Beschreibungen des Opfers oder Drohvideos den "vermeintlichen politischen Gegner einzuschüchtern". Das Strafrecht, so Freier, böte aber genügend Handhabe gegen die Täter. "Gerade bei rechtsextrem motivierten Straftaten haben wir einen hohen Verfolgungsdruck."

Victor W.

Mein Bild
Kaiserbad Ahlbeck, post@haberland-klaus.de, Germany