24.11.08

NPD - Nationalsozialismus salonfähig machen

RECHTSEXTREMISTEN

 

Neue Großmäuligkeit NPD-Funktionäre wollen ihre Partei mit einem intellektuell angehauchten Nationalismus salonfähig machen.

 

Dagegen formiert sich Widerstand an der Basis.

Erst lobte Udo Pastörs die Muslime, wegen ihrer „intakten Identität und lebendigen Traditionen“. Dann jammerte der NPD-Fraktionschef im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern über die „masochistische Neigung“ der Deutschen, „das eigene Volk abzuwerten oder herabzusetzen“. Und schließlich machte er zum siebzigsten Jahres-

tag der Reichspogromnacht die Opfer zu Tätern.

Erst der Deutschenhass der Juden habe den Judenhass der Deutschen provoziert, heißt es sinngemäß im Entwurf des Pastörs-Antrags 5/1961, über den die NPD am vergangenen Donnerstag im Landtag abstimmen lassen wollte.

So brutal hatten es die Berufsprovokateure vom rechten Rand dort bislang nicht formuliert. Denn wer so redet, riskiert ein Strafverfahren wegen Volksverhetzung. Und wer so etwas per Landtagsdrucksache verbreitet, könnte wegen Beihilfe ins Visier der Fahnder geraten.

Deshalb stellten die Mitglieder des Ältestenrates im Schweriner Parlament ihrem NPD-Kollegen Stefan Köster ein Ultimatum. Seine Fraktion möge den Antrag zurückziehen oder die entsprechenden Passagen streichen. Pastörs und seine Mannen drehten kleinlaut bei und legten eine entschärfte Version vor. „Ein Antrag, der wegen volksverhetzender Inhalte von einem Parlamentspräsidium zurückgewiesen werden muss, ist ein bemerkenswerter Vorgang“, sagt Deidre Berger, Direktorin des American Jewish Committee in Berlin, „das hat eine neue Qualität“.

Verfassungsschützer werten die neue Großmäuligkeit allerdings als Zeichen der Schwäche. Mit dem Antrag hätten Abgeordnete und Funktionäre dem Parteivolk in den Freien Kameradschaften beweisen wollen, dass die NPD auch im Parlament radikal Flagge zeigt. Denn der Spagat zwischen Neonazis und bürgerlich angehauchten Nationalisten bringe die NPD- Spitze mehr und mehr in die Bredouille.

In Sachsen und Bayern haben sich bereits zahl- und einflussreiche Kampfgenossen wie der „Kameradschaftsbund Hochfranken“ von der Partei abgewandt. Sie werfen der NPD einen ‚WischiwaschiKurs“ vor, mit dem „keine revolutionäre“ Politik mehr möglich sei. Die Kritik gilt nicht zuletzt Funktionären wie dem ehemaligen Waldorf-Lehrer Andreas Molau, der die Geduld der Neonazis mit dem Versuch strapaziert, die NPD zu intellektualisieren. Schon als Redakteur der rechten Theoriepostille „Junge Freiheit“ träumte der „Leiter des Amtes Bildung“ beim NPD-Parteivorstand davon, Nationalkonservative aller Schattierungen „gedanklich an einen Tisch zu bringen“.

Molau gilt auch als treibende Kraft einer Veranstaltung in Schwerin, mit der die NPD im August die Szene irritierte. Auf einer Tagung der Stiftung „Kontinent Europa“ fabulierten Pastörs und Köster wolkig über die „Fundamente für ein Europa der Zukunft“, die von „Deutschland und Russland“ in engem Schulterschluss geschaffen werden müssten. In kahlrasierten Köpfen, in denen noch der Gedanke an Rache für Stalingrad spukt und Russen als slawische Untermenschen gelten, sorgt derlei Geschwurbel für Frust. Zu allem Überfluss ließ die Parteispitze auf ihrer Web-Seite das Fußvolk auch noch wissen, man habe die Tagung mit einem Besuch der Oper „Carmen“ ausklingen lassen.

In Sachsen sorgte die Kluft zwischen Weichspülern und Hardlinern bereits für Haue an der Heimatfront. Vor zwei Wochen kam es im Dresdner Landtag zu einem Gerangel zwischen dem Fraktionsmitarbeiter Peter Naumann und dem Abgeordneten Jürgen Gansel, bei dem Naumann Gansel, „wenigstens einen Faustschlag ins Gesicht verpasst hat“, wie der „Schriftleiter“ der NDP-kritischen rechter Internet-Seite „Altermedia“ zufrieden meldete. Schließlich habe sich Naumann, ein vorbestrafter Ex-Terrorist, in den vergangenen Monaten mehrfach „von Gansel Gehässigkeiten gefallen lassen müssen“.

Hintergrund der Auseinandersetzung war die Rede des Fraktionsmitarbeiter bei einer NPD-Kundgebung im Vogtland Anfang November, auf der Naumann deutliche Sympathien für Freie Kameraden, Autonome Nationalisten und Skinheads hatte erkennen lassen. Die aber sind Gansel als „unbelehrbare und politikunfähige NS-Esel“ schon seit langem ein Dorn im Auge. Der Historiker und Politikwissenschaftler träumt, wie Molau, von einer Volksfront mit Nationalkonservativen und bürgerlichen Nationalisten. Kameraden, die auf Demonstrationen „Nationaler Sozialismus-Jetzt“ fordern, stören da nur. Im Vogtland mussten sie, so wollten es Gansel und Sachsens NPD-Fraktionschef Holger Apfel, Transparente mit dieser Parole wieder einrollen.

13 NPD-Mitglieder aus Plauen kündigten daraufhin die Mitgliedschaft und er läuterten ihre Gründe auf der Web-Seite ihres Kreisverbandes. Von „Bonzen“ und „Sesselhockern“ wie „Apfel und Gansel denen es nur noch um Macht und Geld geht“, wollten sie sich als „nationale Sozialisten“ nicht weiter „benutzen“ Lassen heißt es da: „Wir brauchen die NPD nicht die NPD braucht uns.“

 

DER SPIEGEL 48/2008

Victor W.

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